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Kommentar des MSC zum NGO Brief

Der MSC überprüft ständig, wie sein Zertifizierungsprogramm verbessert werden kann, und begrüßt dabei die konstruktive Kritik von allen Stakeholdern. Wir sind eine lernende Organisation, die auch in Zukunft nicht stillstehen wird.

Anregungen und Einwände von externen Stakeholdern wie Umweltschutzorganisationen und anderen Interessengruppen sind ein wichtiger Bestandteil des MSC-Programms. Sie sind an vielen Stellen – ob im Kontext eines konkreten Fischereizertifizierungsprozesses oder bei der turnusmäßigen Überarbeitung unseres Umweltstandards – ausdrücklich vorgesehen und erwünscht. Auch in unseren Leitungsgremien sind Repräsentanten von Umweltorganisationen wie der Pew Charitable Foundation, Birdlife International, dem WWF, Conservation International und der Nature Conservancy vertreten. Sie sind alle daran beteiligt, den MSC bei der Entwicklung zu unterstützen und seine Standards regelmäßig weiterzuentwickeln.

Um auf globaler Ebene einen spürbaren Fußabdruck zu hinterlassen, müssen mehr Fischereien beim MSC mitmachen

Nach 20 Jahren MSC blicken wir nun auf 12 Prozent zertifizierten weltweiten Fang. Insgesamt ist die MSC-Zertifizierung eine Erfolgsgeschichte, die viel schneller als dies durch Gesetzgebung möglich gewesen wäre, zur Verbesserung der Situation in den Meeren beigetragen hat, und das vollständig freiwillig und ohne staatliche Ressourcen in Anspruch zu nehmen. Trotzdem bewegen wir uns immer noch in einer kleinen Nische. Selbst mit dem Erfolg, den der MSC bislang hatte, ist er immer noch weit davon entfernt, auf globaler Ebene einen spürbaren Fußabdruck zu hinterlassen. Das Bewusstsein und die Notwendigkeit für einen nachhaltigen Fischereisektor ist immer noch gering und es bleibt immens viel zu tun. Der MSC ist aber mit dem Auftrag gestartet, den Fischereisektor auf globaler Ebene nachhaltiger zu machen. Um das zu erreichen, ist es selbstverständlich unser Ziel, zukünftig mehr Fischereien dazu zu bewegen, sich zu verbessern und den strengen Anforderungen des MSC-Standards gerecht zu werden.

MSC-Programm steht allen Fischereien offen

Der MSC sucht sich die Fischereien für sein Programm nicht aus. Fischereien lassen sich freiwillig nach MSC-Standard bewerten. Sowohl große industrielle Fischereien als auch kleine handwerkliche Fischereien zählen zu den weltweit mehr als 300 Fischereien, die ihren Fang mit dem MSC-Siegel kennzeichnen dürfen. Das Werturteil „big“ gleich „bad“ ist auch in der Fischerei nicht pauschal zu rechtfertigen. Der Gesundheit eines Fischbestandes ist es im Grunde egal, ob er von 1000 kleinen oder von 100 großen Fischereien befischt wird, solange ihm nur so viel entnommen wird, wie wieder nachwachsen kann. Um einen Fischbestand nachhaltig zu bewirtschaften, muss eine Fischerei allerdings wissen, wie es diesem Bestand geht. Viele kleine Fischereien und Fischereien aus Entwicklungsländern haben keine empirische Daten zum Zustand der befischten Bestände und stehen deshalb auf dem Weg zur MSC-Zertifizierung vor besonderen Herausforderungen. Der MSC ist sich dessen bewusst und hat eine Vielzahl von Instrumenten und Maßnahmen entwickelt, um kleinen „datenarmen“ Fischereien bei einer nachhaltigeren Ausgestaltung ihrer Aktivitäten zu unterstützen. Lesen Sie mehr. 

MSC- Kriterien werden ständig weiterentwickelt

Wir versuchen objektiven Einwänden und Anmerkungen unserer Stakeholder bestmöglich gerecht zu werden. Dies ist nicht immer so einfach, gilt es doch häufig unterschiedliche Meinungen unter einen Hut zu bringen. Fischereiwissenschaft ist komplex und in ständiger Entwicklung und wo genau die Grenze zwischen „nachhaltig“ und „nicht nachhaltig“ liegt, wird oft heftig debattiert. Die Herausforderung liegt darin, die MSC-Anforderungen zugleich wirksam und erfüllbar zu gestalten. Anforderungen, die so hoch sind, dass überhaupt nur die besten 5% aller weltweiten Fischereien sie je erfüllen könnten, sind kein adäquates Mittel, um großflächige Verbesserungen für unsere Ozeane zu erreichen.  

Nichtsdestotrotz: Ein großer Teil der Anregungen externer Stakeholder finden – ebenso wie neue umwelt- und fischereiwissenschaftliche Erkenntnisse – seit jeher Eingang in die turnusmäßige Überarbeitung unseres Umweltstandards und unserer Zertifizierungsrichtlinien. In der Praxis bedeutet das, dass es für Fischereien schwieriger wird eine MSC-Zertifizierung zu erreichen. Mit der letzten Aktualisierung des Umweltstandards 2014 wurde beispielsweise die Messlatte für einige wichtige Anforderungen an Fischereien höher gelegt, darunter Beifang-Minimierung oder die Auswirkungen der Fischerei auf empfindliche Bodenhabitate. Über 70 Experten und Stakeholder aus aller Welt hatten sich seinerzeit in die Überarbeitung des Umweltstandards eingebracht. Ausführliche Informationen zu den Neuerungen.

Die Vorbereitungen für die nächste Standardüberarbeitung 2019/2020 laufen bereits. Die Gespräche mit unseren Stakeholdern und deren Eingaben, so zum Beispiel auch der Sharkproject Brief vom Januar 2017, bilden eine wichtige Grundlage für den Überarbeitungsprozess. Wir wissen, dass sich manche Stakeholder eine schnellere Umsetzung von Veränderungen in unserem Umweltstandard wünschen – doch solche Änderungsvorschläge müssen immer auch wissenschaftlich analysiert und konsultiert werden, bevor sie Eingang in unseren Standard finden können. Auch zertifizierte Fischereien benötigen eine gewisse Planungssicherheit. Wir können die Messlatte nicht alle halbe Jahre verändern, sondern müssen hier regelmäßige Prozesse einhalten.

Der MSC ist eine lernende Organisation

Die Kriterien des MSC sind nicht in Stein gemeißelt. Wobei der MSC-Standard alle fünf Jahre überarbeitet wird, werden Prozesse ( z.B. die Anforderungen an die Zertifizierer zur Anwendung des Standards) in kürzeren turnusmäßigen Abständen vorgenommen (alle 2-3 Jahre). Einige aktuelle Beispiele, laufender und kürzlich vorgenommener Änderungen, die z.T. auch in den NGO-Forderungen thematisiert werden.: 

Neue Definition von "Zertifizierungseinheit": 

Auf Anregung von Stakeholdern leitete der MSC z.B. Anfang 2017 eine Überprüfung seiner bisherigen Definition einer „Zertifizierungseinheit“ ein: Diese erlaubt es einer Fischerei, auf ein und derselben Fangfahrt sowohl zertifizierte, nachhaltige Fangmethoden einzusetzen, als auch nicht zertifizierte – vorausgesetzt, die Fänge aus beiden Fangmethoden können bereits an Bord sorgfältig voneinander getrennt werden. Diese Regelung, welche auch im NGO Brief adressiert wird, wird nun umfangreich überprüft. Mögliche alternative Regelungen werden 2018/19 in öffentlichen Konsultationen mit verschiedenen Stakeholder diskutiert und auf ihre Praxistauglichkeit untersucht.

Umfangreiche Analyse zur Auflagenerfüllung im Gange

Jede MSC-zertifizierte Fischerei wird jährlich von unabhängigen Zertifizierern überprüft. Bei diesem Audit wird u.a. kontrolliert, ob die Fischerei ihre Zertifizierungsauflagen im vorgegebenen Zeitraum erfüllt hat. Nur wenn diese Auflagen erfüllt werden, kann eine Fischerei (re-)zertifiziert werden.

Aktuell führt die Akkreditierungsstelle Accreditation Service International – ASI – im Auftrag des MSC eine umfangreiche Analyse der Auflagenerfüllung aller MSC-zertifizierten Fischereien durch. Sollten sich hierbei Schwachpunkte herauskristallisieren, wird der MSC entsprechende Maßnahmen zur weiteren Verbesserung des Systems vornehmen.

Umgang mit gefährdeten und bedrohten Arten (ETP)

Der MSC-Standard in seiner aktuellen Version fordert bereits deutlich, dass die Tätigkeit einer Fischerei die Regenerierung von Arten nicht behindern darf. Derzeit wird geprüft, ob und wie die bisherigen Anforderungen an Fischereien hinsichtlich des Schutzes gefährdeter und geschützter Tierarten (ETP) weiter verbessert werden können. Ebenfalls ein Thema, das die NGOs in ihrem Brief thematisieren.

Peer Review College sichert Qualität der Fischereibewertungen

Bei jeder Fischereibewertung werden externe Stakeholder – NGOs und andere – aufgefordert, sich in die Bewertung einzubringen, Informationen für den Zertifizierer bereitzustellen, zu den Ergebnissen Stellung zu nehmen oder Einspruch einzulegen. Hat der Zertifizierer die Beurteilung einer Fischerei vorgenommen, werden die Ergebnisse von mindestens zwei unabhängigen Wissenschaftlern (sog. „peer review“) geprüft. Jegliche Anmerkungen dieser wissenschaftlichen Gutachter müssen ausführlich erörtert und in den Bewertungsbericht aufgenommen werden. Zur Sicherung der Qualität der Peer Reviews hat der MSC im August 2017 ein unabhängiges Peer Review College gegründet, einem Expertenpool von gegenwärtig 50 Meeres- und Fischereiwissenschaftlern. Darüber hinaus diskutiert der MSC derzeit das Peer-Review System, in wissenschaftlich umstrittenen Fällen zusätzlich auszuweiten.

Vorwürfe nicht haltbar. Zertifizierung von Fischereien mit zerstörerischen Fangmethoden nicht möglich

Der MSC schließt keine legale Fangmethode pauschal von einer Zertifizierung aus. Jede Fangmethode hat in Abhängigkeit von der naturräumlichen Gegebenheit, in der sie eingesetzt wird, in Abhängigkeit von der individuellen Beschaffenheit des Fanggeräts und in Abhängigkeit von der befischten Art, unterschiedliche Auswirkungen. Im Rahmen einer angestrebten MSC-Zertifizierung wird daher jede Fischerei einer strengen, transparenten und wissenschaftsbasierten Einzelfallprüfung unterzogen, die bis zu zwei Jahre dauern kann.

Für besonders sensible Habitate (z.B. Korallen) wurde in der letzten MSC-Standardüberarbeitung (2014), wie von NGOs angeregt, strengere Anforderungen für Fischereien, eingeführt, die in Gebieten mit solchen Habitaten arbeiten. Auch die Forderung, dass zertifizierte Fischereien die Reversibilität ihrer Auswirkungen auf das Ökosystem beweisen müssten, ist bereits im aktuellen Umweltstandard enthalten. Hier wird ein Zeitraum von 5 bis max. 20 Jahren für die Erholung von Habitaten eingeräumt.

Auch beim Thema "Beifang" sind Pauschalisierungen nicht zielführend

In Fischereien, bei denen sich gezielt einzelne Arten fangen lassen, etwa Schwarmfische wie Hering und Makrele, funktioniert die Beifangvermeidung gut. Aber oft lässt sich Beifang nicht vermeiden, da viele Fischarten nicht in reinen Schwärmen vorkommen, sondern sich mit anderen Arten mischen. Beifang ist ein wichtiger Nachhaltigkeitsaspekt beim MSC. Die Höhe des akzeptablen Beifangs für eine MSC-Zertifizierung ist von Fischerei zu Fischerei unterschiedlich. K.O. Kriterien bzw. pauschale Quoten sind bei der Beurteilung des Beifangs wenig zielführend. Der MSC betrachet daher immer den Einzelfall: Im Rahmen einer MSC-Zertifizierung wird die Höhe und die Zusammensetzung des Beifangs und auch der Umgang mit dem Beifang untersucht, um zu beurteilen, ob die Fischerei nachhaltig arbeitet. Dabei ist die Höhe des akzeptablen Beifangs von Fischerei zu Fischerei unterschiedlich. Fällt in einer Fischerei zum Beispiel ein Beifang in Höhe von acht Prozent an, so ist dies im weltweiten durchschnittlichen Vergleich ein geringer Beifanganteil. Bestehen diese acht Prozent jedoch aus einer Art, die in dem jeweiligen Gebiet als gefährdet gilt, so können auch acht Prozent schon zu viel sein. Den Umgang ebenfalls zu betrachten, ist deshalb wichtig, weil auch hohe Mengen an Beifang akzeptabel sein können, wenn diese zu einem großen Anteil wieder lebend freigelassen werden.  Zertifizierungsauflagen haben bereits zu erheblichen Beifangreduzierungen in MSC-zertifizierten Fischereien geführt. Beispiele sind die westaustralische Hummerfischerei, die den Beifang von Seelöwen auf Null reduzierte und die südafrikanische Seehechtfischerei, die den Beifang von Albatrossen um 99% reduzierte.

Das Thema "Beifang" ist bei vielen Akteuren emotional stark belegt. Allerdings dürfen bei einer wissenschaftlichen Bewertung einer nachhaltigen Nutzung solch emotionale oder ethische Überlegungen keine Rolle spielen. In der zertifizierten kanadischen Schwertfischfischerei haben Experten bestätigt, dass die Höhe des Beifangs von Blauhaien vollkommen akzeptabel ist, weil er nur vier Prozent der jährlichen Sterblichkeit der Blauhaipopulation ausmacht und die Gesundheit der nordatlantischen Blauhaipopulation nicht beeinträchtigt. Die beigefangenen Blauhaie in der Schwertfischfischerei werden noch im Wasser befreit – was jedoch rund 23 Prozent der Tiere nicht überleben. Blauhaie sind keine gefährdete, bedrohte oder geschützte Art. Im Gegenteil - der Blauhaibestand im Nordwestatlantik ist in einem sehr guten Zustand und nach aktueller Datenlage wird der Fortbestand der gesunden Blauhaipopulation durch die fischereibedingte Sterblichkeit nicht gefährdet. 

Auch in der mexikanischen Thunfischfischerei gefährdet die Anzahl der tödlichen Delfinbeifänge die Reproduktion und den Fortbestand der Delfinpopulationen im Ostpazifik aus wissenschaftlicher Sicht nicht. Die zertifizierte Fischerei hat ihren Delfinbeifang durch Anpassung der Fangmethoden drastisch reduziert und erfüllt somit die Anforderungen des MSC-Standards. Letzten Studien zufolge wird heute bei 95,5% der Fangausfahrten der zertifizierten Fischerei nicht ein einziger Delfin getötet oder schwer verletzt. Lesen Sie mehr. 

Allgemeine Information zum MSC-Standard 

Der MSC-Umweltstandard für nachhaltige Fischerei hat den Anspruch, den langfristigen Erhalt von Fischbeständen und Lebensräumen im Meer zu sichern und fußt ausschließlich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Er wurde 1997 von über 300 Wissenschaftlern, Umweltschützern und anderen Interessengruppen während eines zweijährigen Prozesses (1997-1999) definiert. Seither hat die Fischereiwissenschaft enorme Fortschritte gemacht und es gibt neue und anerkannte Forschung im Fischereimanagement. Damit der MSC-Standard glaubwürdig und effektiv bleibt und internationaler „Best Practice“ in Wissenschaft und Fischereimanagement entspricht, werden die MSC-Kriterien für nachhaltige Fischerei und das dahinterstehende Zertifizierungsverfahren im regelmäßigen Turnus (MSC_Standard alle 5 Jahre, MSC-Zertifizierungsrichtlinien alle 2-3 Jahre) unter Beteiligung verschiedener Interessengruppen weiterentwickelt. Mit der regelmäßigen Aktualisierung seiner Standards erfüllt der MSC die FAO-Richtlinien für die Öko-Kennzeichnung von Fisch und Fischereiprodukten sowie den ISEAL-Code für das vorbildliche Setzen sozialer und ökologischer Standards.