Um unseren Appetit auf Fisch – ob als Filet, Stäbchen oder Fischölkapsel – zu stillen, werden weltweit jährlich rund 100 Millionen Tonnen Wildfisch und Meeresfrüchte gefangen – doppelt so viel wie noch vor 50 Jahren. Ein Fünftel dieser Fangmenge wird laut Welternährungsorganisation aber nicht für den Mittagstisch gefischt, sondern geht in die industrielle Produktion von sogenannten Fischnebenprodukten. So werden beispielsweise aus mehr als 14 Millionen Tonnen Wildfisch eine Million Tonnen Fischöl produziert, das aufgrund seiner gesundheitsförderlichen Omega-3-Fettsäuren u.a. in Nahrungsergänzungsmitteln, pharmazeutischen Produkten, Streichfetten und Säuglingsnahrung zum Einsatz kommt. Im Gegensatz zur „Speisefischindustrie“, in der sich zumindest das Bewusstsein für eine nachhaltige Produktion längst durchgesetzt hat, steckt die Umsetzung von anerkannten Nachhaltigkeitskriterien in der Produktion von Fischnebenprodukten noch in den Kinderschuhen.
Mehr Nachhaltigkeit bis 2020
Das will der MSC (Marine Stewardship Council) nun ändern: Bis 2020, so das Ziel, sollen 20 Prozent des Fangs, der in die Fischölproduktion geht, aus MSC-zertifizierten nachhaltigen Fischereien stammen. Darüber hinaus sollen in den kommenden drei Jahren fünf der Top 10 Fischölproduzenten von einer nachhaltigen Beschaffung ihrer wichtigsten Ressource überzeugt werden und auf MSC-zertifizierte Rohware setzen.
Bisher macht Fischöl aus MSC-zertifizierter Rohware etwa acht Prozent der gesamten weltweiten Fischölproduktion aus. Vielen Fischereien, die für die Fischölproduktion fangen, fehlte bislang der Anreiz, ihre Aktivitäten nachweislich nachhaltig zu gestalten. Nun aber steigt die Nachfrage nach unabhängigen Nachhaltigkeitsbelegen und es gibt erste Händler und Marken, wie z.B. Migros und Merz in der Schweiz, die Teile ihres Sortiments bereits auf Gesundheitsprodukte aus nachhaltigem Fischfang umgestellt haben. Und erst kürzlich hat die bedeutende dänische Fischerei auf Sprotte, Sandaal und Norway Pout, deren Fang fast ausschließlich zu Fischöl und -mehl verarbeitet wird, das MSC-Zertifikat für ihre nachhaltige Arbeitsweise erhalten.
Camiel Derichs, Europa Direktor des MSC, fordert die Branche auf, jetzt nicht locker zu lassen und diese positive Entwicklung weiter voranzutreiben: „Wir wollen Produzenten und Händler von Omega-3-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln für die Beschaffung von nachhaltig gefangener Rohware gewinnen. Wir können auf eine Vielzahl von MSC-zertifizierten Nebenprodukten aus Fischereien verweisen, die hauptsächlich für den direkten menschlichen Verzehr fischen. Und es gibt immer mehr zertifizierte nachhaltige Rohware aus Fischereien, die gezielt für die Produktion von Fischöl und -mehl fangen. Produzenten und Händler können aus einem stetig wachsenden Angebot an MSC-zertifizierten Nahrungsergänzungsmitteln wählen. Und wir wünschen uns, dass sie das jetzt auch tun – und somit die Fischereien belohnen, die an sich gearbeitet haben, um die strengen Kriterien des MSC-Standards zu erfüllen. Indem sie nachhaltig gefangene Rohware nachfragen, können sie die positiven Veränderungen auf und unter Wasser beschleunigen.“
Nur ein kleiner Fisch?
Für die Produktion von Fischöl werden oft kleine und schnellwachsende Arten wie etwa Sprotte, Sardelle oder Krill verwendet. Diese Arten schwimmen am unteren Ende des maritimen Nahrungsnetzes und bilden die Nahrungsgrundlage für viele größere Fische, Meeressäuger und Seevögel. Eine Überfischung dieser kleinen Fischarten hat besonders gravierende Auswirkungen auf das Gleichgewicht unter Wasser. Deshalb enthalten die Zertifizierungskriterien des MSC spezielle Anforderungen für Fischereien, die es auf „kleine“ Arten abgesehen haben. So muss der Fischereidruck hier beispielsweise noch niedriger sein, als dies bei „größeren“ Arten erlaubt wäre. Darüber hinaus sind MSC-zertifizierte Fischereien dazu angehalten ihren Fang optimal zu nutzen, das heißt, dass alle Teile eines Fisches wie Flossen, Haut und Gräten sinnvoll verwertet werden sollen.
Auftrag des MSC ist es, jegliche Fischereiaktivitäten – unabhängig von der Fischart und vom Endprodukt – auf eine nachhaltige Basis zu stellen. Das MSC-Siegel, die weltweit glaubwürdigste und strengste Kennzeichnung für nachhaltige Fischerei, soll daher künftig auch im Nahrungsergänzungsmittelsortiment eine nachhaltige Wahl ermöglichen und sicherstellen, dass das Ökosystem Meer für unsere „Gesundmacher“ nicht geschädigt wird.