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Tag des Meeres: MSC Biodiversitätsbericht

Von Glitzerkrebsen und Haifisch-Tragen: Wie nachhaltige Fischereien zum Schutz der Artenvielfalt beitragen

Weltweit versorgen Fischereien Millionen von Menschen mit eiweißreicher Nahrung. Doch das Wachstum der Weltbevölkerung, die Intensivierung fischereilicher Aktivitäten und die Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, setzen das Ökosystem Meer zunehmend unter Druck. 

Forscher und Forscherinnen aus allen Erdteilen sind sich einig: Die Artenvielfalt im Meer ist bedroht. Doch sie sehen auch Hoffnung, sofern entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden, so das Ergebnis einer aktuellen Befragung von Wissenschaftlern weltweit. 

Wie solche Schutzmaßnahmen in der Praxis aussehen können, untersucht der neue Biodiversitätsbericht des Marine Stewardship Council

Wir stellen Ihnen daraus fünf Praxisbeispiele vor, die zeigen, wie Fischereien Fischbestände und andere Meereslebewesen durch Innovation und veränderte Fangtechniken schützen - kreativ, effektiv und anders, als man vielleicht erwarten würde:

 

Glamour trifft Nachhaltigkeit: Glitzerkrebse retten echte Krebse in Mexiko

Auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán machten sich Tintenfischfischer kürzlich gemeinsam mit Forscherinnen an ein nachgerade glamouröses Projekt: Sie ersetzten die seit Jahrhunderten als Tintenfisch-Köder verwendeten echten Krebse durch funkelnde Nachbildungen. Und das mit großem Erfolg.

Die neuen Krebse aus glitzerndem Epoxidharz retten seitdem jährlich 1.500 Tonnen echten Krebsen das Leben – das sind mehrere Millionen Tiere im Jahr. Und noch dazu funkeln die Glitzerkrebse von Saison zu Saison – ihre Lebensdauer ist viel länger als die der echten Köder-Krebse, die meist nur ein- oder zweimal verwendet werden können und dann entsorgt werden müssen.

Inzwischen arbeitet das Team in Yucatán an biologisch abbaubaren Versionen der Glitzerkrebse, um die den ökologischen Fußabdruck des Tintenfischfangs weiter zu verringern. Und verkauft seine Glitzerkrebse auch an andere Fischereien mit ähnlichem Köderbedarf.

Notausgang bitte freihalten: Clevere Netze schützen Schildkröten in Australien

Die australische Wildgarnelenfischerei ist seit über 60 Jahren in denselben Gewässern tätig. Als nachhaltige Fischerei in einem artenreichen Gebiet ist es ihr wichtig, lokale Schildkrötenpopulationen – von denen einige zu den gefährdeten und bedrohten Arten zählen – gezielt zu schützen. Und hat einen sicheren Notausgang für Meeresschildkröten erfunden.

Schildkröten können beim Garnelenfang in die Netze der Garnelenfischer gelangen und in Lebensgefahr gebracht werden. Um genau das zu verhindern, hat die australische Garnelenfischerei vor vielen Jahren an jedem ihrer Netze einen genialen Notausgang für Schildkröten angebracht: ein Gitter, durch das die Garnelen hindurchpassen, nicht aber die Schildkröten, kombiniert mit Schutzklappen (Turtle-Excluder-Devices), durch die Schildkröten ins freie Meer statt ins Netz gelenkt werden. Ihren Schildkrötenbeifang konnten die australischen Fischer durch diese und weitere Maßnahmen um 99 % senken.

Wegen ihres Erfolgs in der Bekämpfung von Schildkröten-Beifang, aber auch in der Reduzierung des Beifangs von Haien und Rochen um 86% bzw. 94%, erhielt die australische Wildgarnelenfischerei nun 86.000 Dollar Fördergeld aus dem Ocean Stewardship Fund des MSC, um an neuen Innovationen zur Minimierung des Beifangrisikos für Sägefische und Seeschlangen zu arbeiten.

 

Hai-Tech statt Haken im Ostpazifik: Verantwortungsvoller Umgang mit Beifang, der Zähne hat

Haben Sie sich je gefragt, wie man einen Hai am besten tragen könnte? Die Crew der Thunfisch-Fangschiffe im östlichen Pazifik hätte hier eine Antwort.

Dank regelmäßiger Schulungen und einer Spezialausrüstung sind diese Fischer heute in der Lage, versehentlich beigefangene Haie ohne Verletzungsrisiko für die eine oder andere Seite zu „betreuen“.

Zum diesem Betreuungsprogramm der besonderen Art gehören ein ausgebildetes und geprüftes Rettungsteam, das sich dem Schutz der empfindlichen Meeresbewohner verschrieben hat – und eigens entwickelte Hai-Tragen (sogenannte Stretcher), mit denen die Tiere sicher zurück ins Wasser gebracht werden.

Die Überlebensrate der beigefangenen Haie hat sich dadurch messbar verbessert – von 76% im Jahr 2018 auf 91% fünf Jahre später. Diese Zahlen sind bekannt, weil die Fischer die freigelassenen Haie mit elektronischen Sendern markieren, um mehr über die Tiere zu erfahren - nicht nur hinsichtlich ihrer Überlebenschancen nach Beifang, sondern auch hinsichtlich ihres generellen Verhaltens. Denn das wiederum kann helfen, Hai-Beifang zukünftig von vornherein zu vermeiden.

Bananen im Einsatz: Klangwellen für Schweinswale in England

Vor der Südspitze Großbritanniens schützt die erste MSC-zertifizierte Seehechtfischerei des Landes die marine Artenvielfalt mithilfe eines ungewöhnlichen Gegenstands: dem Banana Pinger.

Schweinswal-Beifang ist im Vereinigten Königreich seit langem ein Problem – zwischen 2011 und 2017 waren 14% aller Schweinswal-Todesfälle auf die Fischerei zurückzuführen. Eine neue Technologie hilft nun, das kleinste Mitglied der Walfamilie besser zu schützen.

Ein kleiner, gelber, bananenförmiger Kasten, der am Fanggerät angebracht wird, löst automatisch ein akustisches Warnsignal aus, wenn er die Klick-Geräusche eines Schweinswals in seiner Umgebung registriert. Dieses Warnsignal hält den Schweinswal dann davon ab, näher an das Fanggerät heran zu schwimmen.

Die „fruchtigen“ kleinen Warnsender sind ein voller Erfolg: Die Fischerei konnte ihren Schweinswal-Beifang damit um 80% reduzieren. 2019 gab es gar keinen einzigen Schweinswal-Kontakt.

Zwischen Netz und Schnabel in den USA: Wie nachhaltiges Wildtiermanagement den Spagat zwischen Fischerei und Artenschutz schafft

Im extremen Salzwasser des Great Salt Lake in Utah haben es sich die Salzkrebschen gemütlich gemacht. Was die meisten nicht wissen: Salzkrebse spielen nicht nur eine entscheidende Rolle für das Ökosystem dieses kargen Lebensraums, sondern noch weit darüber hinaus.

Der Great Salt Lake ist ein zentraler Rastplatz auf der großen Pazifischen Vogelzugroute zwischen Mexiko und Alaska. Mehr als 10 Millionen Vögel unterschiedlichster Arten ziehen hier jährlich vorbei. So besuchen etwa die Schwarzhalstaucher mit ihren charakteristischen goldenen Kopfbüscheln jeden Herbst den See – und fressen dann bis zu 30.000 Salzkrebse pro Tag, was ihr Gewicht vor der Weiterreise fast verdoppelt!

Um sowohl den Bedürfnissen der Vögel, als auch denen der Fischerei gerecht zu werden, wurde am Great Salt Lake ein wissenschaftsbasiertes Wildtier-Management eingeführt. Das legt Fangmengen fest, welche den Fischern ein finanzielles Auskommen, dem Salzkrebs-Bestand eine gesunde Größe und den Zugvögeln ausreichend Futter für die weite Reise sichern. Ein See, drei Interessen, und eine gute Lösung.

Wie John Luft von der Wildtierbehörde Utahs sagt: „Falls es irgendwo auf der Welt ein besseres Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Fischerei und Wildtiermanagement geben sollte, habe ich zumindest noch nie davon gehört.“

 

HINWEISE FÜR REDAKTIONEN

Lesen Sie hier den vollständigen Biodiversitätsbericht  

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