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Führt Überfischung auf direktem Wege zum Artensterben? Ganz so arg ist es zum Glück nicht. Und doch ist Überfischung eine der größten Bedrohungen für die Meere. Überfischung ist aber nicht gleich Überfischung: Hier erfahren Sie, welche unterschiedlichen Kriterien Wissenschaftler anlegen.

Überfischung, darauf weisen wir als MSC seit Jahrzehnten hin, ist eine enorme Bedrohung, die man bekämpfen muss und ein Problem, für das es Lösungen gibt.

In der öffentlichen Wahrnehmung wird Überfischung oft mit der Ausrottung einer Tierart gleichgesetzt – aber das entspricht nicht den Tatsachen. Weil Meeresfische in der Regel in verschiedenen Beständen vorkommen (also in von der Fischerei genutzten regionalen Fortpflanzungseinheiten), bezieht sich das Konzept der Überfischung immer auf einzelne Fischbestände und nicht auf die gesamte Art

Die gute Nachricht ist: Wenn ein Fischbestand nachhaltig genutzt wird, befinden sich Entnahme und Wiederauffüllung im Gleichgewicht und wird im wissenschaftlichen Kontext als das Konzept des maximalen nachhaltigen Dauerertrags (englisch: Maximum Sustainable Yield, MSY) bezeichnet. Es zielt darauf ab, auf lange Sicht den höchsten Ertrag aus einem Bestand zu erzielen und gleichzeitig produktive Fischbestände zu erhalten. Dieser Zusammenhang der "Gleichzeitigkeit" ist unabdingbar.

Die maximal nachhaltige Nutzung aller Fischbestände ist eine Zielvorstellung der Weltgemeinschaft, beschlossen 2002 auf dem Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg. Sie ist auch Ziel der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU.

Die oftmals von Medien oder TV-Dokumentationen verwendeten Formulierungen "bis an die Grenzen befischt" oder gar "90 Prozent der Meere sind überfischt" sind unnötige, unsachliche und irreführende Zuspitzungen.

Alles eine Frage der Menge: Ist das Gleichgewicht zwischen Nachwuchs und Fang in einem Bestand gestört und mehr Fische werden entnommen als nachwachsen können, findet Überfischung statt. Grundsätzlich unterscheiden Fischereiwissenschaftler verschiedene Arten von Überfischung, die die Bestände in unterschiedlicher Weise beeinflussen.

Alles eine Frage der Perspektive: Ab wann genau ein Bestand als überfischt gilt, hängt nämlich auch davon ab, was gesellschaftlich und politisch als ein akzeptables Niveau der Fischerei angesehen wird, und ob das Management eher auf Ertragsoptimierung oder auf Gefahrenabwehr abzielt.

Frag den MSC: Was ist Überfischung

Frag den MSC: Was ist Überfischung
  1. Bei der Wachstumsüberfischung werden die Fische eines Bestands gefangen, wenn sie noch zu klein sind. Was dabei leider verhindert wird: Hätten die Fische mehr Zeit zum Wachsen, wäre der Ertrag zu einem späteren Zeitpunkt größer. Wachstumsüberfischung ist aus Ertragssicht suboptimal, aber sie gefährdet den Fischbestand nicht direkt. Ein solcher Bestand wird nicht als überfischt, sondern als erschöpft bezeichnet und muss wieder aufgebaut werden.
  2. Bei der Nachwuchs- oder Rekrutierungsüberfischung entnimmt man einem Bestand mehr Fische, als in den Folgejahren durch natürliche Vermehrung und Zuwanderung nachwachsen können.
    Eine dauerhafte Rekrutierungsüberfischung kann theoretisch zum Aussterben eines Fischbestands führen. Das ist aber in der Meeresfischerei noch nie vorgekommen, weil sich eine gezielte Fischerei bei geringen Bestandsgrößen wirtschaftlich nicht lohnt und eingestellt wird. Konsequenzen für Fische und Fischer treten aber schon unterhalb dieser bestandsgefährdenden Schwelle auf.

Aus fischereiwissenschaftlicher Sicht liegen sowohl bei Wachstums- als auch bei Rekrutierungsüberfischung die Biomasse unter dem Ziel-Referenzpunkt BMSY* und die fischereiliche Sterblichkeit über FMSY*.

Der entscheidende Biomasse-Referenzpunkt im Zusammenhang mit Rekrutierungsüberfischung ist Blim*. Liegt nämlich die Laicherbiomasse eines Bestands unter Blim, ist die Rekrutierung von Jungfischen in den Bestand gefährdet und es findet Rekrutierungsüberfischung statt.

Worauf auch der Fischereistandard des MSC fußt (hier ein informatives Schaubild): Dem Problem der Überfischung kann mit guten Fischereimanagement erfolgreich begegnet werden! Dabei können unterschiedliche Maßnahmen aus dem Werkzeugkasten des Fischereimanagements zusammenspielen, wie zum Beispiel Fangquoten, Vorgaben für die Maschenweiten, Schließungszeiten oder Aufwandsbeschränkungen.

Wer das noch genauer wissen will: Dieser Artikel befasst sich mit Fischereimanagement als wirksame Lösung gegen Überfischung.

Keine Maßnahme ohne Kontrolle: Entscheidend sind zusätzlich effektive Kontrollmechanismen, die die Überwachung und Einhaltung aller beschlossenen Maßnahmen sicherstellen. Wissenschaftliche Untersuchungen stellen die Basis für die Festlegung und Kontrolle des Managements dar.

* = Eine gute Übersicht zu den wesentlichen Referenzpunkten bietet ICES, der Internationale Rat für Meeresforschung  

Bernreuther M, 2019, Überfischung: Ursachen – Hintergründe – Maßnahmen. Ernährung im Fokus 02/2019, S. 86-91, https://www.ble-medienservice.de/lpdownload.php?articleId=1267&articleNo=5982&articleUrl=https%3A%2F%2Fwww.ble-medienservice.de%2Fmedia%2Fpdf%2F01%2F99%2F11%2F5982_1718_leseprobe.pdf

Kraus G & Kempf A, 2017, Überfischung – ein einfaches Wort mit kompliziertem Inhalt. Wissenschaft erleben 01/2017, S. 1, http://www.thuenen.de/media/publikationen/wissenschaft-erleben/wissenschaft_erleben_2017-1.pdf        

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